Freitag, 16. April 2010
Hochzeiten sind Leidenszeiten I: De-Emanzipation
OSKAR befindet sich nun in einem Alter, da sich seine Freunde in einem Alter befinden, in dem die Herren der Schöpfung den weiblichen Erwartungen gerecht werdend erst in und danach auf die Knie gehen, die Damen - Emazipiertheit hin oder her - weich werden und ihn da haben, wo sie ihn haben wollen: im Sack. Um den alsbald zuzubinden, geht dann alles ganz schnell: Hochzeitstermin organisieren, Gästeliste aushandeln, etwas "irgendwie total Besonderes" als Ort des Geschehens ausgucken, die Hochzeitsreise - auch wieder "'was irgendwie total Schönes und nichts, was alle machen" - buchen. Auf dem Weg dahin gibt's viele Hürden. OSKAR weiß das aus eigener Erfahrung; zum Teil erübrigt sich beim Reißen einer dieser Hürden die ganze weitere Planung und ohne über Los zu gehen, fängt wenigstens einer von beiden wieder bei Null an. Aber das ist eine andere Geschichte.

Nun sind es also OKSARs Freunde bzw. die Freunde seiner Freundinnen, die dem stillen Drängen ihrer Liebsten nachkommen und endlich den so genannten Bund des Lebens anbieten. Vielfach ahnen sie dabei nicht, dass sie - Frauen sind einfach furchtbar viel geschickter als Männer - in diesem Tun überhaupt einem weiblichen Drängen nachkommen. Mithin glauben die Typen ernsthaft, es sei ihrem eigenen tiefen Empfinden entsprungen und sie überraschten ihre Freundinnen mit dem Antrag. Nun gut, OSKAR ist zu erfahren in diesen Dingen, zu vertraut mit der Menschlichkeit (= Schlechtigkeit) weiblicher Wesen, als dass diese Tatsache ihn weiter betrüben könnte. Letztlich werden bei den Frauen eben die archaischen Urinstinkte wach, die Uhr beginnt zu ticken und mit jedem minimalen Vorrücken der biologischen Zeiger wird das Verlangen nach Sicherheit, Beschützer und Ernäher, idealem Genmix für die Brut bedeutsamer und tritt die Zielsetzung eigener, selbstverwirklichender Emanzipiertheit zurück, erkennend, dass weder sie selbst und ihre Männer schon gleich gar nicht immerzu gleich sein wollen.

Beim Schreiben dieser Zeilen fällt OSKAR eine hierzu passende Textstelle des Romans Der Mann schläft ein*:

Von meiner früheren, naiven, unhinterfragten Solidarität mit Frauen war nicht mehr viel übrig. Gerade die Damen, die viel von ihrer Emanzipiertheit sprechen, sind von wirklicher Freiheit so weit entfernt wie der Regen draußen davon, sich in Sonnenschein aufzulösen. Wenn sie merken, dass es wirklich anstrengend ist, in eine Position zu gelangen, in der man die Welt minimal beeinflussen kann, entscheiden sie sich fast immer gegen die Verantwortung. Gegen die Machtkämpfe und Ungemütlichkeit, gegen die unglamouröse Forschung, die öde politische Arbeit, die unangenehme Aufgabe, Menschen zu entlassen, und werden schwanger oder machen etwas Kreatives, etwas mit Sprache, weil Frauen ja so gut reden können. Und dann sitzen sie in Cafés und quatschen über Rolfing und lesen Frauenzeitschriften, die von Frauen gemacht werden, die lieber dumme Sätze über anorektische Filmstars schreiben als echte Informationen oder Texte, die den Leser anstrengen, ihm eine Idee schenken. Dann kommen sie in die Wechseljahre und heißen Imke oder Claudia und fallen in hormonell bedingte Depressionen, ihr Leid schreiben sie aber den Männern zu, die sie am Fortkommen gehindert hätten. Und wenn sie die Wahl haben, dann nehmen sie immer einen erfolgreichen großen Partner, die Biologie, Sie wissen schon. Ohne nachzudenken, verraten sie all die Ideen, die ein paar wirklich freie Damen gehabt haben, die sich aufgemacht haben, um dafür zu kämpfen, damit sich nun ein neues Heer von faulen Weibern auf ihren halbverstandenen Ideologien ausruhte, von denen sie nur Überschriften zitieren. Ihr kleiner Verstand träumt von wilder Leidenschaft mit einem Cromagnon und der Ehe mit einem Mann, der morgens das Haus verlässt, das sie dann mit blütenweißen Gardinen und guterzogenen Kindern schmücken. Vermutlich bekommen die meisten genau das, was sie sich kraft ihres Geistes verdient haben. Die Zeiten, in denen ich Menschen mochte, waren definitiv vorbei.

(aus: Sibylle Berg, Der Mann schläft, S. 173-175)

[* Eine Anfrage beim Verlag, ob diese Textstelle hier wiedergegeben werden darf, blieb trotz wiederholter Nachfrage letztlich unbeantwortet, was die Vermutung nahelegt, dass es okay ist.]

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Donnerstag, 15. April 2010
Nachgefragt!
OSKAR fragt sich zuweilen, ob seine Rezensionen (Rubrik Gelesen und für gut befunden gefallen, hilfreich sind - oder wenigstens: gelesen werden?

Bitte ankreuzen:
Nur zu. Weiter lesen und dann (be)schreiben!
Also ganz ehrlich...? Er soll's sein lassen, hier seine Buchmeinungen auszubreiten!

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Erstellt von oskar-kasimir am 2010.04.15, 16:07.

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Mittwoch, 7. April 2010
Der Mann schläft
Ein Frauenroman. Ohne Frage. Ein Roman von einer Frau geschrieben. Ob sie aber tatsächlich auch für ein vornehmlich weibliches Lesepublikum schrieb, muss bezweifelt werden.

Sibylle Berg hat einen Roman geschrieben, der im Hanser Literaturverlag erschienen ist und den schlichten Titel Der Mann schläft trägt. Unprätentiös wie der Titel erscheint auch das gesamte Buch. Um es knapp zusammenfassen, bräuchte es nicht mehr als den Hinweis, dass eine Frau sich unerwartet und jenseits ihrer Blüte eine (neue) Liebe leben darf, sich geliebt fühlt, ihr der Geliebte auf unerklärliche Weise abhandenkommt, sie aus dem Gleichgewicht gerät und Rückschau auf ihr Leben hält. Es wäre eine Zusammenfassung, aber sie würde dem, was das Buch eigentlich ausmacht, in keiner Weise gerecht. Dieser Plot nämlich dient der Autorin lediglich als Aufhängung dessen, was sie an Gedanken zu zentralen Fragen des Lebens formuliert.

In „Der Mann schläft“ berichtet die Ich-Erzählerin von unterschiedlichen Lebensphasen. Diese lassen sich grob in diejenige vor der Begegnung mit dem Mann, die gemeinsame Zeit mit und die Zeit nach dem Mann unterteilen.
Wiewohl die Chronologie erkennbar bleibt, schreibt Sibylle Berg schlaglichtartig in knapp gehaltenen Kapiteln von jeweils unter zehn Seiten und lässt hierbei konsequent einem jeden Abschnitt ‚Damals‘ ein Kapitel ‚Heute‘ folgen. Unter dem ‚Damals‘ fasst sie dabei die Zeit bis zum Verlust des Mannes, das ‚Heute‘ bezeichnet die Wochen nach seinem Verschwinden.

Von den beiden zentralen Figuren, der Erzählerin und dem Mann erfährt der Leser zu keinem Zeitpunkt Namen oder exaktes Alter. Dennoch wird deutlich, dass sich die Erzählerin nicht mehr in der Blüte ihrer Weiblichkeit befindet und sie entsprechend überrascht wird von der Verbindung, die sie mit dem Mann eingeht, von dem sie selbst sagt, dass weder sein Körper besonders attraktiv noch seine Rede von besonderem Intellekt zeugt. Desungeachtet fühlt sie sich von ihm erstmals allumfänglich geliebt, weil geborgen. Es scheint, als würde sie nach vielen Jahren der Suche nun zu einer großen inneren Ruhe gelangen, ihren angesammelten Zynismus in Teilen verlieren, sich in einem nachgerade vollzufriedenen Zustand von der Welt abwenden und ausschließlich auf ihre Zweisamkeit richten, die ihr absolut genug und die nicht von spektakulärem Tun gekennzeichnet ist. Dieser Genügsamkeit wohnt indes keine Flucht inne, auch kein Klammern oder zwanghaftes Glück, doch noch jemanden ‚abgekriegt zu haben‘.
Während einer gemeinsamen Reise nach Asien, auf eine Insel Nähe Hongkong, macht sich der Mann allein auf, einige Besorgungen auf der Hauptinsel zu tätigen, so wie er es auch zuvor bereits getan hatte. Von dieser Fahrt kehrt er jedoch nicht zurück und auch alles Suchen und Bemühen der Erzählerin sein Verschwinden aufzuklären, bleiben erfolglos. Anfangs von der bangen Hoffnung getragen, er möge doch noch auftauchen und sie dann eben dort vorfinden, wo sie beide zuletzt gemeinsam unterwegs waren, bleibt sie in ihrem Feriendomizil. Mit dem Verstreichen der Zeit wird ihr zusehends deutlich, dass es eine solche Wiederkehr des Mannes, ihres so zufriedenen Lebens, nicht geben wird. Sie macht sich auf, ihr Elend und Schicksal zu akzeptieren, in dem sie sich, beinahe könnte es als eine Form moderner Selbstkasteiung bezeichnet werden, einen immer gleichen Tagesablauf zu eigen macht, in dessen Verlauf sie jedoch zunächst keine Optionen erwägt, keine Konsequenzen aus ihrer Situation zu ziehen fähig, aber auch nicht zu ziehen bereit ist. Sie sinkt tief hinein in einen Zustand großer seelischer Erschöpfung, Selbstmitleid und Depression.
Erst die Begegnung mit einem jungen Mädchen, das sie schließlich die Bekanntschaft mit ihrem verwitweten Großvater machen lässt, verändert zwar nicht ihr Leben, aber zumindest ihre Perspektive, lässt sie die tägliche Routine unterbrechen und erstmals wieder autarke, selbstverantwortete Entscheidungen treffen. Ob nun zum Guten oder zum Schlechten, muss an dieser Stelle offen bleiben. Es wird nicht explizit von der Autorin gesagt.

Sibylle Berg verlangt ihrer Leserschaft auch an anderen Stellen ab, sich eine eigene Meinung zu bilden. So bilden Erfahrungen, Stimmungen und Ansichten der Lesenden die Folie, auf der sich die Gedanken und das Tun der Ich-Erzählerin – stärker als dies ohnehin bei der Lektüre eines Romans der Fall ist – überhaupt erst zu einem emotionalen Verstehen und Begleiten der Protagonistin entwickeln können. Insbesondere in den Kapiteln des ‚Heute‘ bordet die Erzählerin über von Trostlosigkeit, Selbstmitleid, Gelähmtheit, dass man als Leser sich wünscht, Teil der Geschichte zu werden, sich hineinversetzt wünscht in das Buch – nur, um ihr zu begegnen und ihr ein paar klare Wahrheiten um die Ohren zu hauen oder sie sonstwie aus ihrer lethargischen Verfassung herauszureißen. Sibylle Berg gelingt es, Stimmungen zu erzeugen, die sich einprägen, denen sich beim Lesen nicht entzogen werden kann.

In verschiedenen Absätzen lässt sie ihre Erzählerin gelegentlich melancholisch, dann wieder zynisch oder mit vor Selbstironie strotzender Hellsicht auf deren Leben blicken. Hierbei kommentiert sie ebenso treffend wie unprätentiös die großen Fragen des Lebens einer Frau. Es geht um das Erwachsenwerden, Männer, die Liebe, Emanzipation, Selbstverwirklichung und (vergängliche) Schönheit. In diesen Momenten ist der Roman „Der Mann schläft“ viel mehr als ein Frauenbuch oder eine Liebesgeschichte, dann ist er Gesellschaftsroman, Gesellschaftskritik und lädt nicht nur ein, nein, er zwingt den Lesenden, gegenüber sich selbst Stellung zu beziehen zum formulierten Gedanken. Etwa, wenn es in Bezug auf die Liebe heißt: „Da musste immer Besinnungslosigkeit sein und Kontrollverlust, Auflösung und unbedingt Seelenverwandtschaft. Alles Zustände, die mir zuwider waren. Ich fand meine Seele nicht so überragend, dass ich mir noch einen mit den gleichen Unfähigkeiten gewünscht hätte. Liebe wurde in der öffentlichen Wahrnehmung mit etwas Pathologischem gleichgesetzt und hatte mit weggebissener Unterwäsche und Schweiß zu tun. Dass es sich im besseren Fall um etwas Familiäres, Freundschaftliches handelte, war eine unpopuläre Idee.“ (S. 66) Oder mit Blick auf Individualisierung, Freiheit und Gesellschaftsordnungen an anderer Stelle: „Alles muss definiert sein, geregelt, geordnet; geheiratet muss werden, auch gleichgeschlechtlich, auch Familienmitglieder und Tiere, so entfernt von Anarchie und Ungehorsam wie jetzt schienen die Menschen noch nie, gerade weil sie so frei sind.“ (S. 167).

Sibylle Berg hat ohne Zweifel einen großen Roman geschrieben. Einen anstrengenden, einen, der aufregt. Und der anregt. Er fordert, ohne zu überfordern – und ist doch auch gute Unterhaltung.

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Lernerfolg
Chef: "Sie müssen das Delegieren lernen!" - geht ab

halbe Stunde später: Chef in OSKARs Büro: "Bitte das hier dreimal kopieren und dann an die XYZ verschicken. Wenn Sie dann schon mal am Kopierer sind, da steht ja auch die Kaffeemaschine..." - will gehen

OSKAR: "Warten Sie. Ich zeig' Ihnen schnell, wie der Kopierer funktioniert und während der die Schriftsätze vermehrt, erkläre ich Ihnen die Kaffeemaschine."

Chef stutzt

OSKAR: "Dann kann ich das nächste Mal de-delegieren!"

Chef: "..."

Er ist mitgegangen.

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