Dienstag, 7. Juli 2009
Fête de la Musique II: Mitbewohner spielt Satie
Nach dem Besuch des OSKAR entrückenden Orgelkonzertes traf er sich am frühen Abend mit E. Sie waren sich während ihrer beider Forschungen in Genf begegnet, und nach ersten schüchternen Blicken fanden sie beide dann auch den Mut, sich miteinander zu unterhalten. Für OSKAR war es von Anfang an etwas Zartes, Feines, Leises und Wunderbares. Wenn sie ihm über den Arbeitstisch hinweg anlächelte – ein Lächeln, das auch von ihren strahlenden Augen ausgeht – wurde ihm ganz warm ums Herz. Sie verstanden sich gut, öffneten sich dem anderen. OSKAR fühlte sich von dieser Frau angezogen, zu ihr hingezogen… Er, der Mann des Wortes war aber in seinem Werben gleichsam eingeschränkt, da ihrer beider Sprache nicht seine Muttersprache war und er seine vielen Gedanken, die Denknuancen, seine Gefühle und Ideen zwar grundsätzlich auszudrücken vermochte, aber eben doch nicht seine große Lust am Wort entfalten konnte. Vermutlich auch aus dem Grund machte ein anderer das Rennen. OSKAR ist allerdings Realist genug, um sich nun nicht zu grämen, dass sein Französisch nicht fließend ist! Es mögen auch andere Beweggründe im Spiel gewesen sein, dass ihrer beider Herzen sich nicht zu gemeinsamen Schlagen vereinten…
Dennoch verbrachte er mit E. unbeschwerte Stunden, die er vollauf genossen hat. So auch während der Fête de la Musique. Unter anderem besuchten sie gemeinsam das Konzert des OSKAR’schen Untervermieters und Mitbewohners.
Ein professioneller Pianist, der gemeinsam mit zwei ausgebildeten Sängern und zwei Schauspielern ein tolles Programm zusammengestellt hatte.
Auf diese Weise fügten sich für OSKAR die bis dahin nur in Teilen zu Hause während langer Übungsstunden gehörten Versatzstücke zusammen. Alle Stücke und Texte des Programms entstammten der Feder des Franzosen Erik Satie, dessen Werk ihn begeisterte, weil er in Wort und Noten unberechenbar war, ein musikalischer Grenzgänger, der die Grenzen und die scharfen Trennungen der Genres nicht als gottgegeben hinzunehmen bereit war und beinahe surrealistisch diese Grenzen zu verwischen suchte.
OSKAR wusste, dass sein Mitbewohner aufgeregt war – gerade so wie ein kleiner Junge, der das erste Mal bei einer Schulaufführung ein Gedicht vor Publikum aufsagen muss. OSKAR war schon als kleines Kind immer sehr solidarisch und mitfühlend, und so kam es, dass er während des gesamten Konzerts mitfieberte, ob auch alles klappen möge. Welche Erleichterung, dass die gesamte Inszenierung und die musikalische Qualität eine Meisterleistung waren! Beschwingt gingen beide, Mitbewohner und OSKAR danach in die Nacht…

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Montag, 6. Juli 2009
Fête de la Musique I: Orgel - und dennoch lebendig
In verschiedenen Mitteilungen, Einträgen und Kommentaren hier hat OSKAR sich direkt oder durch die Blume über den für seinen Geschmack zu sehr zur Schau getragenen Reichtum vieler Genfer – oder muss es richtiger heißen: neureicher Neu-Genfer? – ausgelassen. Dass Genf als Stadt aber offensichtlich zudem über ein gehöriges Kulturbudget verfügt und dies zum Wohle auch der weniger Begüterten einsetzt, soll nun einmal ausdrücklich gewürdigt werden:
Schon vor einigen Wochen fand die Fête de la Musique statt. Ein riesiges Festival, bei dem von Klassik, Oper, Pop, Jazz, Gospel, Rock bis hin zu Worldmusic, Techno, House und Richtungen, die OSKAR nicht mit Namen zu benennen weiß, für so ziemlich jeden Musikliebhaber von Freitagabend bis Sonntagabend in zahlreichen Konzertsälen, Kirchen, Theatern, Hallen, auf Freiluftbühnen, in Innenhöfen und unter Arkaden, auf Plätzen und in engen Gassen ein Feuerwerk der Musik abgefackelt wurde, dass einem wahrlich das Herz übergehen konnte.

Zu viele Darbietungen haben auf OSKAR Eindruck gemacht, als dass er sie nun alle würdigen könnte. Ein Orgelkonzert in der Kathedrale indes berührte ihn auf besondere Weise. Es war ihm, als würde er in eine andere Dimension eintauchen, von ihr aufgenommen; die Seele sich vom Körper lösen und eingehen in etwas Größeres, Unendliches, von überwältigender, weil größtmöglicher Schönheit und Reinheit Überirdisches. Und ohne, dass er dieses Ende in Kürze schon herbeisehnen würde, so wünscht er sich so den Übergang vom Leben in den Tod: entrückend.
Dass dort in der Kathedrale er seinen letzten Seufzer nicht tat und seine Seele zwischendurch immer mal wieder zurück in die stoffliche Hülle kam, ist vermutlich allein DENJENIGEN zu verdanken, denen OSKAR – völlig unchristlich und dem Orte unangemessen – wünschte, ihr letztes Stündlein hätte bereits geschlagen!! – Es fiel ihm auf, dass Menschen offensichtlich keine Pausen mehr ertragen können, in denen sie für vier Takte der tonlosen Stille ausgesetzt und damit mit sich selbst konfrontiert sind: unterdrücktes Lachen, Unruhe; aber auch während der zum Teil sehr feinen Töne oder der gewaltigen Passagen, die die Macht der Musik und des Orgelwerkes in ihrer ganzen Breite und als eigene Dimension der Welt vor Augen führen, scheint es, als würden Menschen, im akustischen Angesicht dieser höheren Macht nicht kapitulieren und das Relative ihres Bestehens akzeptieren können: hier ein Rascheln des Bonboneinwickelpapiers; dort ein eifriger Leser des Veranstaltungsblattes, der beim Umblättern ebenfalls den Hörgenuss unterbricht; jene tuschelt ihrem Begleiter etwas ins Ohr, der aber schwerhörig ist und laut blökend um Wiederholung des Gesagten ersucht; dieser stellt seinen Fotoapparat ein, was mit diversen Piep- und Linsenverschlusstönen gepaart geht; wieder ein anderer fingert sein Handy aus der Hosentasche, bringt die Kirchenbank zum Knarzen und sein Handy doch nicht zur Ruhe; eine vermutlich enorm pädagogische Mutter erklärt dem sichtlich gelangweilten Nachwuchs im Flüsterton die Anordnung der Buntglasscheiben im Kirchenfenster. OSKAR ist vermutlich sehr empfindlich – doch wenn er, wie eben bei jenem Orgelkonzert, bereit ist und sich in die Lage versetzt fühlt, all’ sein erdenschweres Bestehen für ein paar Minuten hinter sich und seine Seele in diese Dimension heben zu lassen, die ihr durch grandiose Kompositionen und deren ebenfalls grandiose Interpretationen, durch die Töne dieses Instruments geöffnet wird, dann gelingt dies doch nur, wenn nichts ablenkt, es sich bedingungslos nur um eben jene Töne der Musik handelt.

Daher ein Aufruf an die Mamis und Papis: Liebe Eltern, lasst Eure hungrigen, eingenässten oder gelangweilten oder sich aus Langeweile einnässenden, in jedem Fall aber quengelnden Blagen zu Hause, wenn Ihr in ein solches Konzert geht, auch wenn’s gratis ist. Kinder gehören da nicht hin. Für sie ist das langweilig, laut. Für ihre Umgebung nervig, wenn Ihr sie dann mit Möhrchen, Keksen oder gutem Zureden zum Kunstgenuss bestechen wollt.

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Sonntag, 5. Juli 2009
What a night!
Wenn die Abende lang sind und die Nächte lau, dann stellt sich bei OSKAR zuweilen eine merkwürdige Gemütsverfassung ein. Melancholisch, Sentimental, besonders nachdenklich und ohne, dass dies eines besonderen Auslösers bedürfte. In solchen Momenten sucht er Abgeschiedenheit, denn dann ist er ganz bei sich, darin aber von einer tiefen Einsamkeit umgeben, die umso schreiender würde, je mehr Menschen um ihn wären.
Er hatte sich auf das Wochenende gefreut, immerhin wollte er mit wirklich netten Menschen in Genf unterwegs sein, in dieser lauen Sommernacht sich treiben lassen im bunten, fröhlichen Treiben, das diese Stadt nachts so besonders faszinierend. Dann sind alle Katzen grau, die Protzer mit ihren Autos, die Frauen mit ihren Juwelen finden nicht mehr so offensichtlich statt. – Die Bekannten überlegten sich kurzfristig einen neuen Plan, verschoben das Ausgehen später in die Nacht. Exakt diese zwei Stunden ließen OSKARs Stimmung sich verändern, die Gedanken kommen dann in riesigen Mengen; er kann sie kaum Denken, so groß ist ihre Zahl. Er wollte das nicht. Er wollte sich dieser Gedankenmühle, dessen Ergebnis/Ende niemals vorhersehbar ist, nicht aussetzen. Er hat es geschafft: die gesamte Nacht über schaute er DVDs. Die erste Staffel von Six feet under – wer würde diese Serie nicht zumindest dem Namen nach kennen. Nicht unbedingt leichte Kost für den, der bereits in einer bestimmten Gemütsverfassung verkehrt. OSKAR ließ sich dennoch in deren Bann ziehen, sich von der Geschichte, oder besser: den Geschichten durch die Nacht führen. Als am Ende der Nacht das Ende der sechsten und damit letzten DVD erreicht war, standen ihm Tränen in den Augen. Ja, Nate hat recht: „We have to die to make life important!“. Allerdings erscheint es zynisch, dass just demjenigen, bei dem zu diesem Zeitpunkt alles zum besten steht, diese Worte ins Skript geschrieben wurden. - Im Übrigen ist OSKAR einmal mal vor Augen geführt worden, dass es der Moment ist, den es zu genießen gilt, das Glück, wenn es des Weges kommt, nicht bloß zu bestaunen, sondern zu pflücken, darin aufzugehen. Er konnte es während zweier Wochen hier in Genf. Nichts Spektakuläres. Aber eine Frau voller Wärme, Zuneigung, Offenheit, Leichtigkeit (was etwas anderes ist als eine leichte Dame!!), die ihn wohl das erste Mal seit langer Zeit – vielleicht das erste Mal seit J., sieht man von seinem Gefühlschaos die V-Frau betreffend ab, wieder das Gefühl größtmöglicher Unbeschwertheit und Freude beschert hat. Mehr war nicht, aber auch nicht weniger. In ihrem Miteinander schwang ohne Frage und wohl auch für sie so etwas wie der Keim einer Verliebtheit mit. Es soll(te) nicht sein, aber ja, DAS war Glück, das er just in dem Moment genießen konnte.

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