Montag, 20. Juli 2009
Elemente
OSKAR durfte den größten Teil seines Aufenthaltes in Genf, der sich nun erkennbar dem Ende zuneigt, eine wunderbare Sommersonne genießen, die nahezu jeden Tag vom Himmel strahlte, im Überfluss, sich verströmend und den Teint seines Gesichts in eine frische Bräune verwandelte.

In der vergangenen Woche aber wurde OSKAR Zeuge eines grandiosen Schauspiels. Über einige Tage war es schwüler geworden bis es am Donnerstagmittag nicht mehr auszuhalten schien: Schweiß rann aus allen Poren, der Geist war gelähmt und eine seltsam drückende, fast bedrohlich schwere Stimmung hing über der gesamten Stadt. Am Abend begann es zu blitzen und zu donnern; elegentlich erst und weit weg. Bald aber wuchs sich dieses Gewitter zu einem auch für Genfer Verhältnisse gewaltigen Unwetter aus. Blitze stieben über den Himmel, beleuchteten die Nachtszenerie wie gewaltige Feuerschweife; Regenmassen ergossen sich über die derart ausgetrockneten Böden, dass diese das Wasser nicht aufzunehmen vermochten; gewaltiger Donnerhall ließ Häuser erbeben und riss manch einen friedlich Schlummernden geradezu jähzornig aus dem Schlaf. Kurzum: ein gewaltiges und ebenso gewaltig faszinierendes Schauspiel der Elemente. Voller Kraft und eben darin seine ganze Anmut entfaltend, tobten sie durch die Nacht, beeindruckten und verschreckten, ließen OSKAR seine eigene Vergänglichkeit und Unbedeutendheit erspüren. Stumm und beinahe demütig anerkannte er diese so viel größere Kraft der Natur.

Heute Morgen war es OSKAR, den es früh aus dem Bette trieb. Um fünf Uhr, noch vor Sonnenaufgang, verließ er seine ihn sonst um diese Uhrzeit noch heimelig umfangende Bettstatt und machte sich auf, nicht nur seinen Besucher wieder zum Bahnhof zu bringen, sondern auch, um einem Konzert beizuwohnen. Was für eine grandiose Idee, nicht nur zum oder nach Sonnenuntergang derlei Veranstaltungen anzubieten! An einer ruhigen Stelle, einer Insel im See, hatten sich einige Frühaufsteher versammelt, verschlafen die einen, andere schon hellwach und voller Tatendrang. Ihnen gemein war, dass sie ihre Gesichter gen Osten, der Morgenröte zugewandt hatten, in ihren Rücken zur Stimmung durchaus passenden (oder diese überhaupt erst schaffenden?) leicht esoterisch anmutender Klänge zu hören waren. Allmählich erwacht die Stadt, taucht die Sonne hinter dem Gebirgsmassiv auf, sendet ihre Strahlen wie Gesandte eines neuen Tages über See und Stadt, taucht die noch ruhige Welt in ein unwirkliches Licht. Morgenstund’ hat gold’nes Licht…


Wie unterschiedlich beide Schauspiele und wie ähnlich doch ihre Schönheit aus Einfachheit. Donner und Blitz, die mit Getöse und Spektakel daherkommen wie auch der ruhige, fast behutsame Aufgang der Sonne – beide zeugen von der gleichen Kraft und der derselben Erhabenheit der Natur über den Menschen.

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Montag, 13. Juli 2009
Phantasien und Realitäten
Es gibt Momente, da werden Phantasien zur Realität, in denen gelingt der Sprung über den eigenen Schatten - in denen öffnet sich neues Terrain, eine andere Welt. Und es ist gut so. OSKAR hat vor gut einem Jahr begonnen, Neuland zu erobern und stellt im Rückblick fest, dass das eine sehr gute Entscheidung war. Wenn Viele sagen, die virtuelle Welt sei nicht real, dann ist dies eben nur die halbe Wahrheit, denn auch in der Virtualität existieren Wahrheiten, Menschen... Es scheint ihm die Kunst, sich nicht in der virtuellen Welt zu verlieren, sondern sie als einen Teil in die eigene Lebenswirklichkeit zu integrieren - und womöglich beide miteinander zu verknüpfen. Das kann gelingen - ihm gelingt es zumindest. Und es ist gut. Sehr gut.

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Mittwoch, 8. Juli 2009
Fête de la Musique III: Unter den Augen des Reformators
An anderer Stelle hat OSKAR anklingen lassen, dass Genf eine Stadt des Geldes ist. Doch nicht nur reich an klingender Münze, auch im Hinblick auf Geschichte ist Genf eine reichhaltige Stadt. Und in gewisser Weise kommt beides zusammen: Der Reformator Calvin, ein Sohn der Stadt, der dieser Tage seinen 500. Geburtstag feiern würde, war zwar nicht unbedingt das, was man einen Lebemann nennen würde. Und auch seinen Zeitgenossen gönnte er nicht wirklich Spaß. Dafür aber predigte er nicht unerfolgreich die These, dass, wer nur fleißig genug arbeiten, vom Herrgott auch ordentlich entlohnt, sich die Mühsal mithin schon auf Erden in erheblichem Reichtum niederschlagen würde. (Mithin eine gute Religion für Großkapitalisten wie Investmentbanker, Großindustrielle und Co.!).

Nachdem sie zuvor das Konzert seines Mitbewohners besucht und ihnen beiden das gut gefallen hatte, schlenderten E. und OSKAR durch die Gassen und in den Park, in dem noch viele Menschen fröhlich lärmend beisammen waren und eine alles in allem sehr heitere Atmosphäre herrschte. OSKAR fühlte sich dabei gänzlich unbeschwert, denn die Frau mit den Augen und dem Blick, die sein Herz anrühren und seine Seele lächeln lassen ließ ihn seine Gedankenschwere vergessen.
Auf einer Bühne gigantischen Ausmaßes spielte eine Band Scottish/Irish Folk. Sie verband dies mit der Einladung, dazu zu tanzen. Inzwischen hatten die beiden noch andere Freunde von E. getroffen, und gemeinsam stürmten sie den Tanzboden. Wie die Teufel drehten sie sich umeinander, miteinander, ineinander. Allen stand das Lachen ins Gesicht geschrieben; hier zählte nicht das „Eins, Zwei, Drehung, Schritt, Zusammen, Abschluss-Schritt“ der Tanzschule! – OSKAR und E. fanden für zwei Tänze zusammen; nicht zappelnd, sondern als Paar tanzend, bei dem der Herr die Dame führt, was in diesem Zusammenhang wesentlicher steifer klingt als es sich dort auf dem Tanzboden tatsächlich anließ! Es waren zwei Tänze, die sie beide genossen haben. Es herrschte eine Spannung zwischen ihnen, großartiges, tiefes Verständnis und wohl auch für den Moment Einverständnis der Zusammengehörigkeit. - Für OSKAR war es, als drehten sie sich und die anderen Tänzer wären nur Staffage, die Welt um sie herum das Universum, dass sich um ihrer beider Mittelpunkt drehen würde. Später würden Freunde, aber auch andere Tänzer ihnen zulächeln, aufmunternd oder auch ein Kompliment für ein ‚schönes Paar’ abgeben… Weit davon entfernt…
Das Skurrilste an dieser Szene aber: die Bühne stand unter gewaltig großen Statuten der finster und Ehrfurcht gebietend dreinschauenden Reformatoren. Skurril deshalb, weil es ja just Calvin & Co. waren, die Tanz und Musik, wildes Treiben und Vergnügen zeitlebens wahrlich nicht billigten. Nun, in Stein gehauen und zur Untätigkeit verdammt, tummelten sich zu ihren Füßen Menschen, die ausgelassen das Leben und sich feierten – die in jeder Hinsicht starren Religionsmänner eher als Taschenablage und nette Kulisse für ihr Tun betrachteten. Dass die ehedem Wortgewaltigen nun auch noch in diversen und wechselnden Farbtönen illuminiert wurden, rundete das Ganze ab.

Den Rest der Nacht verbrachte OSKAR im Wesentlichen mit – warten. Er bewegte sich, was ihm zunächst nicht bewusst war, in und mit einem Tross von Unentschiedenen. Beständig wurde diskutiert, dass man noch andere Orte aufsuchen wollte, man den Plan aber jetzt ändere, diskutieren musste, welches Ziel das nächste sein sollte. Der Weg war hier das Ziel… OSKAR spürte ganz deutlich, dass dieser Satz auf ihn nicht unbedingt zutrifft. Es war ihm, als benötigte dieses Trüpplein feierwütiger, sich selbst blockierender Jungakademiker dringend Guidenance, Leadership. Mit einem Wort: Führung! Aber OSKAR, als Deutscher geschichtlich vorbelastet, was dies anlangt, konnte ja als Neuling und zudem einziger Deutscher in der Gruppe nicht diese Rolle auf sich nehmen und damit direkt sämtliche Klischees erfüllen! Folglich fügte er sich ins Schicksal und lernte, dass man sich zu zehnt zwanzig bis vierzig Meter vorwärts bewegt; diskutiert; feststellt, dass jemand fehlt; diskutiert, wer fehlt und wen man noch dazuladen könnte; telefoniert gefühlte 484.930 Mal (unverbindlich gewordene Welt!); wartet; geht wieder ein paar Schritte – und das Spiel beginnt von vorn. OSKAR fragte schließlich dann doch, warum sich nicht einfach am Zielort verabreden und dort dann treffen. – Die Antwort erfolgte durch praktische Anschauung: dass ein Ziel festgelegt wird/ist, heißt nicht, dass dieses auch tatsächlich aufgesucht wird. Vielmehr kann es im Zuge der Wegstrecke und infolge des 484.931 Telefonats zur Disposition gestellt werden. Auch, wenn man am vermeintlichen Ziel angekommen und (vorangeschrittener) Teil der Schlange desjenigen Musiketablissements ist, kann dies noch geändert werden – rudernd, drängelnd gegen ca. 230 Leute, die HINTER einem in der Schlange stehen. Die machen aber bereitwillig Platz, weil sich ihre Wartezeit extrem verkürzt. (Bei der Gelegenheit hat OSKAR übrigens festgestellt, dass es wohl wirklich stimmt, was er seinerzeit in der Grundschule lernte, wenn der Lehrer erklärte, dass die Vögel deswegen alle dicht beieinander auf den Stromleitungen sitzen, weil dies Wärmeschutz bietet. In so einer Schlange fröstelte ihn, eingeklemmt zwischen diversen Leibern, keineswegs. Eine andere Erfahrung: der gemittelte Schlangensteher in Genf scheint höchstens 1,78 groß; OSKAR überragte sie fast alle!)
Statt auch nur EIN EINZIGES anderes Ziel aufgesucht zu haben, fand sich die muntere Truppe nach unübertriebenen drei Stunden nach Verlassen der Reformatorenbühne in ihrem Studentenwohnheim ein. Er war müde und ihn fröstelte – die Freundin von E. war so nett, ihm Matratze, Schlafanzug und Bettdecke zu leihen und E. in ihr Bett zu nehmen. OSKAR hatte ein wunderbares Wochenende in Genf – fern der Schickeria – verlebt!

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