Sonntag, 20. April 2008
oskar-kasimir, 18:53h
Aus dem Nichts heraus das zarte Streicheln spüren von vorsichtigen, zurückhaltenden, fast schüchternen Fingerspitzen, die über Wange, Hals bis über die Schultern streichen. Ein Lächeln überzieht das schlafende Gesicht. Einsamkeit weicht Zugehörigkeit, innere Unruhe wandelt sich in Geborgenheit. Vertraute Geste des so vertrauten Menschen, die Nähe und das Wissen um ehrliche, offene Zweisamkeit. – Als der Kopf wach wird, verdrängt er das Gefühl, schreit dem Schlafenden „Du träumst!“ entgegen. „Es ist vorbei!“ – Ja, leider. Aber für den Moment war es ein schöner Traum.
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Samstag, 5. April 2008
kein Einzelgänger mehr...
oskar-kasimir, 14:19h
OSKAR war, ist und wird wohl auch in Zukunft Einzelkind sein. Daran ist nichts Verwerfliches. Als Kind fand er diesen Zustand weder besonders gut, noch besonders schlecht. Seine Eltern erzogen ihn ohne spielzeuggewordene Materialschlachten, machten ihn nicht zum Prinzen. Im Gegenteil: er erinnert sich lebhaft, dass er in gewissen Situationen lauthals verkünde, er werde den Kinderschutzbund informieren – um dann einen kleinlauten Rückzieher zu machen, wenn seine Mutter ihm die Telefonnummer rausgesucht hatte. Wobei das natürlich aus purer Elternliebe geschah – die Damen und Herren Kinderschützer hätten ihn zweifellos aus dieser Hölle befreit, in der er einmal die Woche sein Zimmer selbst staubsaugen, gelegentlich beim Abwasch helfen oder dem Herrn Papa bei der Rasenpflege helfen sollte!
Fast neigt er aber trotzdem zu der Überzeugung, dass er das Einzelkinddasein zumindest nicht bedauert hat: sein bester Freund M. und dessen älterer Bruder T. waren grundverschiedene Charaktere, und es verging keine Woche ohne größere Klopperei, Zimmerverwüstungen und anderer paramilitärischer Aktionen. Nein, das erschien OSKAR so überhaupt nicht attraktiv.
Er war Einzelgänger, ohne sich bewusst abzukapseln. Er konnte sich prima allein beschäftigen, und wenn er aus zweiwöchigen Jugendlagern im Sommer zurückkam, räumten ihm seine Altvorderen verständnisvoll erstmal seine Ruhe ein. Die permanente Präsenz unter vierzig oder mehr anderen Kindern und Menschen (noch immer zweifelt er in manchen Situationen an, ob wirklich alle Kinder auch Menschen oder nicht doch Monster sind!) kosteten ihn Kraft. Da war er ums Alleinsein froh. Auch später, während eines längeren Auslandsaufenthaltes nach der Schule wohnte er zunächst allein, kannte nur wenig Menschen. Das war zwar nicht immer ganz einfach, war aber auch nicht von größeren Heimwehgefühlen begleitet. – Dann kam ein großer Bruch: zum Studieren zog er in ein Studentenwohnheim, in dem es überhaupt nicht anonym zuging. Die fünfzig Bewohner kannten sich gut, der Anspruch des Hauses lag darin, allen ein Zuhause zu bieten – gerade für die ausländischen Bewohner, die nicht mal eben nach Südkorea fliegen konnten. Das ist dem Haus, seiner Leitung und den Bewohnern gelungen. Es herrschte in den letzten Semestern, die OSKAR dort wohnte, eine Grundstimmung, die der von gut funktionierenden „Ferienlagern“ vergleichbar ist. OSKARs Bedürfnis nach Zurückgezogenheit fand er im eigenen kleinen Zimmer, aber er wandelte sich zum absoluten „Rudeltier“, dem es nach einem langen Wochenende bei den Eltern wieder zurück in sein Rudel drängte.
Außerdem fand er eine Gefährtin. Sie beide entdeckten erstmals und miteinander das tiefe Gefühl der Liebe, öffneten sich vorsichtig einem anderen Menschen, machten sich verletzbar und gaben sich ganz dem gegenseitigen Vertrauen hin. Welch eine erschütternde Erfahrung und weit reichend, wie gut! Nun hat sich die Liebste gegen diese wunderbare Liebe, diese wunderbare Partnerschaft entschieden – und OSKAR fehlt die Nähe, die Vertrautheit, die Geborgenheit. In vielen Momenten fühlt er sich inmitten all’ seiner Freunde und vieler Bekannten: einsam! Mit keinem ein rasches Zwinkern, eine zärtliche Geste auszutauschen, kein flüchtiger Kuss, kein liebevoller Blick… Es ist offensichtlich, so wird sich OSKAR dieser Tage in Genf – ohne Telefon, Radio, wirklich funktionierende Internetflatrate oder gar bekannten Gesichtern – bewusst: er ist kein Einzelgänger mehr.
Und Geschwister, mit denen er sich gut versteht, so etwas hat er nun auch vielfach kennen gelernt, fehlen ihm, wenn er seinen Eltern gegenübertritt und feststellt, dass sie nicht mehr nur „älter“ werden, sondern „alt“. Die Verantwortung hat sich schleichend umgekehrt – nicht mehr sie für ihn, nein, er für sie wird zunehmend wichtiger. Dies ruht allein auf seinen Schultern – wie gern würde er da mit einer Schwester oder einem Bruder sich austauschen können. Oder mit einer Partnerin. -- Auf ins Leben, die Schwester wird nicht mehr geboren, aber eine neue Liebe vielleicht schon!
Fast neigt er aber trotzdem zu der Überzeugung, dass er das Einzelkinddasein zumindest nicht bedauert hat: sein bester Freund M. und dessen älterer Bruder T. waren grundverschiedene Charaktere, und es verging keine Woche ohne größere Klopperei, Zimmerverwüstungen und anderer paramilitärischer Aktionen. Nein, das erschien OSKAR so überhaupt nicht attraktiv.
Er war Einzelgänger, ohne sich bewusst abzukapseln. Er konnte sich prima allein beschäftigen, und wenn er aus zweiwöchigen Jugendlagern im Sommer zurückkam, räumten ihm seine Altvorderen verständnisvoll erstmal seine Ruhe ein. Die permanente Präsenz unter vierzig oder mehr anderen Kindern und Menschen (noch immer zweifelt er in manchen Situationen an, ob wirklich alle Kinder auch Menschen oder nicht doch Monster sind!) kosteten ihn Kraft. Da war er ums Alleinsein froh. Auch später, während eines längeren Auslandsaufenthaltes nach der Schule wohnte er zunächst allein, kannte nur wenig Menschen. Das war zwar nicht immer ganz einfach, war aber auch nicht von größeren Heimwehgefühlen begleitet. – Dann kam ein großer Bruch: zum Studieren zog er in ein Studentenwohnheim, in dem es überhaupt nicht anonym zuging. Die fünfzig Bewohner kannten sich gut, der Anspruch des Hauses lag darin, allen ein Zuhause zu bieten – gerade für die ausländischen Bewohner, die nicht mal eben nach Südkorea fliegen konnten. Das ist dem Haus, seiner Leitung und den Bewohnern gelungen. Es herrschte in den letzten Semestern, die OSKAR dort wohnte, eine Grundstimmung, die der von gut funktionierenden „Ferienlagern“ vergleichbar ist. OSKARs Bedürfnis nach Zurückgezogenheit fand er im eigenen kleinen Zimmer, aber er wandelte sich zum absoluten „Rudeltier“, dem es nach einem langen Wochenende bei den Eltern wieder zurück in sein Rudel drängte.
Außerdem fand er eine Gefährtin. Sie beide entdeckten erstmals und miteinander das tiefe Gefühl der Liebe, öffneten sich vorsichtig einem anderen Menschen, machten sich verletzbar und gaben sich ganz dem gegenseitigen Vertrauen hin. Welch eine erschütternde Erfahrung und weit reichend, wie gut! Nun hat sich die Liebste gegen diese wunderbare Liebe, diese wunderbare Partnerschaft entschieden – und OSKAR fehlt die Nähe, die Vertrautheit, die Geborgenheit. In vielen Momenten fühlt er sich inmitten all’ seiner Freunde und vieler Bekannten: einsam! Mit keinem ein rasches Zwinkern, eine zärtliche Geste auszutauschen, kein flüchtiger Kuss, kein liebevoller Blick… Es ist offensichtlich, so wird sich OSKAR dieser Tage in Genf – ohne Telefon, Radio, wirklich funktionierende Internetflatrate oder gar bekannten Gesichtern – bewusst: er ist kein Einzelgänger mehr.
Und Geschwister, mit denen er sich gut versteht, so etwas hat er nun auch vielfach kennen gelernt, fehlen ihm, wenn er seinen Eltern gegenübertritt und feststellt, dass sie nicht mehr nur „älter“ werden, sondern „alt“. Die Verantwortung hat sich schleichend umgekehrt – nicht mehr sie für ihn, nein, er für sie wird zunehmend wichtiger. Dies ruht allein auf seinen Schultern – wie gern würde er da mit einer Schwester oder einem Bruder sich austauschen können. Oder mit einer Partnerin. -- Auf ins Leben, die Schwester wird nicht mehr geboren, aber eine neue Liebe vielleicht schon!
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Samstag, 29. März 2008
Blick zurück... und trotzdem Blick nach vorn
oskar-kasimir, 00:56h
Blick in den Strom
Sahst Du ein Glück vorübergehen,
das nie sich wieder findet,
ist’s gut, in einen Strom zu sehen,
wo alles wogt und schwindet.
O, starre nur hinein, hinein,
du wirst es leichter missen,
was dir, und soll’s dein Liebstes sein,
vom Herzen ward gerissen.
Blick unverwandt hinab zum Fluss,
bis deine Tränen fallen,
und sieh durch ihren warmen Guss,
die Flut hinunterwallen.
Hinträumend wird Vergessenheit
des Herzens Wunde schließen;
die Seele sieht mit ihrem Leid
sich selbst vorüberfließen.
(Nikolaus Lenau)
Seit einem guten Jahr nun blickt OSKAR „unverwandt hinab zum Fluss“. Sein Tränenstrom, der sich über die Wangen den Gesetzen der Schwerkraft folgend mit den weit gereisten Wassern vermischt, ist noch nicht versiegt. Der stumme Schrei, der in seiner Erinnerung seit Kindertagen zerreißendste Schmerz verhallen nur ganz allmählich. Wie oft und wie gut erinnert er sich ihrer beider gemeinsamen glücklichen Tage – ob zusammen oder doch durch unsichtbare Bande eng verbunden. Mit einem Federstrich hat sie’s ausgelöscht, weggeworfen, leichtfertig aufs Spiel gesetzt.
Hatte er falsche Vorstellungen von Liebe, war zu pragmatisch, gar zu sicher oder zu liebevoll? Oder ist sie es, die mit ihrer Vorstellung stets andauernder, jungfräulicher Verliebtheit, die sich nicht abnutzt, die stets im Herzen wohnt und den Schmetterlingen fortwährendes Flügelschlagen bereitet, in die Irre gehen wird?
Sie hat sich gegen ihn entschieden. Nach langer Zeit ging sie in wenigen Tagen, abrupt. Dieser kalte Blitz, der ihn durchfuhr, als sie es ihn fernmündlich wissen ließ, der sich zeitlupengleich in die Schädeldecke bohrte und von dort aus langsam durch den Körper fraß und ihn lähmte – er wird ihn nie vergessen, seine Halbwertzeit ist jedenfalls so groß, dass seine bösen Kräfte OSKAR noch stets zu lähmen vermögen. Ein Gedanke von ihm, das Wort eines anderen, eine Situation völlig unbekannter Menschen genügen und alles ist wieder da. Und dann diese unendliche innere Leere, dieses unendliche Weiß, in dem es keinen Anfang, kein Oben oder Unten, keinen Widerstand und keine Zukunft gibt. Nur die immergleich ablaufende Grübelei, das Grämen, das Gefühl, die eigene Liebe verschenkt, nein: verschleudert zu haben.
Und sie? Hat das Leben ausprobiert, so sagt sie. Wollte einfach mal ‚Sein‘, wie ein Teenager das Leben erleben – mit 27. OSKAR zahlt(e) den Preis dafür, sie fand eine neue Liebe, von der sie sagt, sie „wisse und spüre, dass es gut ist“. Es schmerzt OSKAR, dass sie ehrlich zu glauben scheint, dass sie ihn lieben wollte, kopfgesteuert ihn geliebt habe, aber eben nicht auch das Gefühl gehabt habe, er sei der Richtige. Wie sehr sie ihr eigenes Liebenerleben in so ungezählten Stunden Lügen strafen. Aber es ist nicht an ihm, darüber zu urteilen. Es ist an ihm, sein Leben zu leben, den Blick in die Ferne zu richten – nach vorn. Die Schwermut überwinden. Ob er jemals wieder Leichtigkeit wird empfinden können, mit der er noch vor wenigen Monaten durch das Leben schweben konnte?
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