Freitag, 28. November 2008
Vom Warten
OSKAR ist ohne Frage nicht der geduldigste Mensch auf diesem weiten Erdenrund; ihn indes ungeduldig zu schimpfen, wäre wohl übertrieben. Auf die Probe wurde er nun von einem großen, gelben Transportunternehmen gestellt, das sich insbesondere durch seine flächendeckende Versorgung der Kundschaft auszeichnet.

In einem online-Shop kaufte OSKAR frohgemut zusammen, was ihm zunächst auf den Bildschirm und dann unter den Cursor kam. Der Bestellvorgang war einfach, ein paar Tage später bekam er von dem Unternehmen die freundliche Ansage, dass sein Paket auf den Weg gebracht worden und selbiger unter der Sendungsnummer - gefühlte 20 Stellen lange Zahl - nachzuvollziehen sei.
Solch schöne Spielerei ließ bei OSKAR erst die Vorfreude steigen und danach den Frust. Tag für Tag sah er sein Paket näherkommen: Paketzentrum am Ort des Versenders, Sendung befindet sich auf dem Weg zum Paketzentrum in OSKARS Stadt, Paket in eben diesem Paketzentrum eingetroffen, Paket in eben jenem Paketzentrum verarbeitet - und dann: Paket befindet sich auf dem Weg zur Packstation. Jaha! OSKAR ist ein moderner Mensch, und als solcher hat er die Vorzüge der PackStation entdeckt. Diese liegen in seiner Wahrnehmung vor allem darin, dass der für mit der Entgegennahme (=Abholens) eines Pakets verbundene Prozess die Vorfreude auf das Objekt der Glückseligkeit (man wird an dieser Stelle verstehen, dass er sich aus genau diesem Motiv nicht alles an die Packstation schicken lässt!) noch ein letztes Mal steigern lässt! Nun, das Paket befand sich also auf dem Weg - nur noch eine Klappe sollte ihn in Kürze davon trennen. Nachdem eine Benachrichtigung darüber, dass es soweit sei, aber ausblieb, machte er sich spontan, unbenachrichtigt, aber in heller Aufregung und mit großer Freude im Herzen, auf den Weg. Durch den Regen. Nix zu machen. Nix da.
Am nächsten Morgen immer noch die gleiche Mitteilung auf der Sendungsverfolgungsinformationsiternetseite, die nunmehr seit fast 24 Stunden vermeldete, das Paket befinde sich auf dem Weg zur Packstation. Vielleicht ist der Bote fußkrank? OSKAR ist eben in der Regel freundlich und denkt nix Schlechtes. Auf der Sendungsverfolgungsinformationsiternetseite gibt es den Hinweis auf eine zwar nicht günstige, aber ihrem Namen nach verheißungsvolle Telefonnummer. Die rief er an. Nachdem ihm eine angenehme Stimme einer Computerfrau, die sich indes nicht auf irgendwelche Avancen einlassen wollte und stattdessen immer nur penetrant einen Entscheidungsbaum vortrug, durch den OSKAR sich durch stumpfes "Eins", "Drei", "Eins" hindurchmanövrierte, erhielt er irgendwann eine SMS mit der Mitteilung, dass sein Paket "zugestellt" sei. In einem Affenzahn und wiederum durch den Regen zur Station 102. Nix zu machen. Nix da. Ratlosigkeit. Ihm fiel dann an der Packstation dieser feuerrote Knopf auf... Draufgedrückt. Es meldet sich ein Servicemitarbeiter in einem dieser servicefreundlichantrainierten Tonfall, bei dem OSKAR sich die Nackenhaare aufstellen. Dieser Stimme teilte OSKAR mit, dass a) nix da ist und er aber b) diese SMS bekommen habe. Die Stimme teilte OSKAR daraufhin mit, dass a) keine SMS verschickt worden sei und b) nix da sei und c) OSKAR bitte ins Mikrofon sprechen möge. A) und b) verwirrten OSKAR: a) SMS hatte er vor sich auf dem Handy, c) welches Mikrofon und wieso hatte ihn doch aber offensichtlich verstanden. Irgendwann, um das abzukürzen, hatte er den Dreh 'raus, wusste, a) wo das Mikrofon war (auf der Höhe eines Mundes eines ca. durchschnittlich großen sechsjährigen Kindes!!!) und b) dass die ein neues Mikrofon brauchen. Folglich stand er a) seitlich eingeknickt und schräg vor dem Automaten und schie diesen b) an. Sehr zur Belustigung der circa 57 Kunden der Schalterhalle... Es stellte sich heraus, dass die Stimme keine SMS verschickt hatte - und "ich bin sozusagen die Packstation und weiß, was da drin ist. Was die von DHL machen, weiß ich nicht. Mit denen habe ich nichts zu tun." OSKAR schwante Ungemach: wieso hatte der nichts mit dem gelben Transportriesen zu tun...? Wieso sagen die dann, dass etwas zugestellt sei? "Das kann alles mögliche heißen!", so der Automatenservicemann. So ging das eine Weile hin und her, die freundliche Stimme wurde im Tonfall pampiger, OSKAR blieb nach seinem Dafürhalten höchst zuvorkommend, während er seiner Nase am Automaten platt drückte, damit der Typ ihn verstand. (Vermutlich hat's da entweder eine Kamera, so dass die Packstationhotlineserviceleute sich kaputtlachen, wenn sie die Kunden rumdirigieren. So etwas habe ich mal bei Paola und Kurt-Felix gesehen!! Oder, das ist wahrscheinlicher, es ist ökonomisch sinnvoll: Bevor es zu Bandscheibenvorfällen kommt, hören die Kunden lieber auf, richten sich auf und geben auf.) Nun war im Übrigen offensichtlich, dass nix da war unddie Schlange derer, die ebenfalls packstationen wollten, war in der Zwischenzeit erheblich angewachsen. OSKAR ergab sich der Stimme - dem Automaten und zog ab. Durch den Regen.
Gute Bekannte wurden in den nächsten Tagen die wirklich freundlichen Mitarbeiterinnen des Hotline, die ihn irgendwann auf sein scharfes 'NEIN' auch nicht mehr mit "den Kollegen von der Packstation" verbinden wollten. Die hätten es glatt fertiggebracht, ihn in seiner Wohnung ebenfalls irgendwelche Verrenkungen machen zu lassen!!! Die Nachforschung dauerte dann eine Weile, dafür war die Begründungen dafür, warum das Paket so lange auf dem Weg (und in der Zwischenzeit wiederum nicht mehr auf dem Weg, sondern zur - zweitägigen - Bearbeitung im Paketzentrum) zur Packstation sei, eine meisterhafte Entschädigung: "Da ist wohl 'was schief gelaufen!" Nach insgesamt zwölf WERKtagen kam es an. Seltsamerweise war die Vorfreude einer Ernüchterung gewichen. Und geregnet hat's beim Abholen auch nicht.

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