Samstag, 7. August 2010
Martin Suter: Der Koch
Um es gleich vorweg zu nehmen: OSKAR ist nach der Lektüre - und eigentlich war er es schon weit vor Ende - des neuen Buches von Martin Suter enttäuscht. Es scheint, dass der Autor von Small World, Der letzte Weynfeldt, Lila Lila oder Die dunkle Seite des Mondes mit wenig Begeisterung seine Romanseiten füllte.

Der Koch ist die Geschichte des vor dem Krieg in seiner Heimat geflohenen Tamilen Maravan, der nun in der Schweiz lebt. Geschildert wird sein Leben in der Zeitspanne März 2008 bis März 2009. Nach seiner fristlosen Entlassung als Küchenhilfe gründet er, der in seiner Heimat das Kochen als sinnliche Kunst erlernte, gemeinsam mit einer ehemaligen Kellnerin desselben Restaurants den Cateringservice Love Foods. Maravans Kochkünste nämlich vermögen die Gefühle derart in Wallung zu bringen, dass auch Paare, die seit langem kein Feuer mehr verspüren, wieder große Lust aufeinander bekommen. Das Geschäft - anfänglich für Maravan schwer zu akzeptieren - wird aber allmählich zu einem Dienstleister im Escortbereich der gehobenen Gesellschaft und sein Ehrgefühl als Koch und als tamilischer Mann damit auf eine schwere Probe gestellt, da die Kunden ihn nun als "Sexkoch" ansehen und sein Können unter dem Gesichtspunkt ihrer sexuellen Potenz beurteilen.

In diesem Setting verknüpft Suter handwerklich gekonnt, aber ohne Würze, Realität und Fiktion. So flicht er immer wieder verschiedene Ereignisse der Finanz- und Wirtschaftskrise sowie des Atomskandals in der Schweiz ein. Insbesondere Herr Dahlmann, zwielichtige Figur und im Wesentlichen Vermittler von Kontakten, bildet dabei die Verbindung zur fiktiven Geschichte Maravans. Wobei es augenfällig ist, dass Maravan stellvertretend für viele im Exil lebende alleinstehende Tamilen steht. Allein in einem in allem fremden Land, in der die Diasporagemeinschaft umso enger zusammenrückt - was auch eine starke soziale Kontrolle bedeutet. Es wundert daher wenig, wenn eine junge Frau tamilischer Abstammung auftaucht, die jedoch vollkommen in der schweizer Gesellschaft verankert und zugleich den Sitten und Traditionen ihrer Eltern verhaftet ist. Maravan und sie verlieben sich - gegen allen Widerstand der Eltern der jungen Frau. Dieser rührt aus dem Kastendenken ("man muss eben aus der richtigen der abgeschafften Kasten stammen") sowie aus der Tatsache, dass es traditionell die Eltern sind, welche eine Ehe anbahnen.
Schließlich erzählt Suter von Maravans Familienbande, die sehr stark ist und ihn um seine Verwandten in der Heimat bangen lässt. Er schickt ihnen von seinem Einkommen, muss aber zugleich die auch im Exil tätigen "Tamil Tigers" finanziell unterstützen, die ihn unverholen erpressen.
Suter mag all diese Aspekte aus edlen Motiven aufgreifen, es wirkt aber leider pflichtschuldig, wenn er hinsichtlich Maravans Familie und des Krieges in Sri Lanka von Kindersoldaten und der Ignoranz der westlichen Gesellschaften gegenüber diesem schmutzigen Krieg schreibt.

Alles in allem weiß der Autor, welcher Rezeptur er zu folgen hat, um einen ordentlichen Roman zu komponieren. Und ein ordentlicher, bodenständiger Roman ist es ohne Frage. Wie aber auch ein Gericht unterschiedlich schmecken und unterschiedlich sättigen kann, so bleibt Der Koch weit hinter den Erwartungen und den bisher vorgelegten Büchern von Martin Suter zurück. Handwerklich sauber, aber leidenschaftslos gearbeitet, so der Eindruck. Es ist bedauerlich, dass er aus diesem Stoff nicht mehr gemacht, seiner Geschichte nicht mehr Schärfe und damit Würze verliehen hat. Was bleibt, ist daher ein etwas fader Nachgeschmack. Schade!

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